Das Vakuum, wussten nicht nur Philosophen, ist luftleerer Raum. Aber war der auch leer? Und wenn er leer war, was hatte das zu bedeuten? Blaise Pascal, der sich mit dem Vakuum befasste, stellte sich die Stille im Nichts eines unendlichen Universums vor und kam zu dem Schluss. „Das ewige Schweigen macht mich schauern.“
Im Condé Nast Traveller Magazin schrieb Stephanie Yeboah neulich über die Vorzüge eines Vakuums, nämlich über die Praxis des so genannten Vakuumierens. Wer mal in einem teuren, winzigen Apartment in einer Großstadt gelebt hat, kennt das: Der Kleiderschrank läuft über, aber man kann sich von den Klamotten nicht trennen, weil man sie ja noch braucht. Man kauft sich also einen luftdicht verschließbaren Plastiksack und befüllt ihn mit Stofflichem: Winterjacken, Bettzeug, Pullover, olle Mode. Ein Staubsauger oder eine Handpumpe saugen die Luft aus dem Sack, alles schrumpelt zusammen, und je nach Sackdichte (die oft zu wünschen übrig lässt) verharrt die Kleidung über Jahre als unförmige, knallharte Skulptur, die man platzsparend verstauen kann.
In ihrem Artikel, in dem es um die Probleme beim Reisen für Menschen mit Übergrößen ging, wurde das Vakuumieren als Lösung für kleine Koffer mit großem Gepäck angepriesen. Doch den Haken an der Sache unterschlug sie: das Gewicht verringert sich nicht. Es kann also sein, dass ein niedlicher Rimowa Salsa Koffer auf abschüssigem Gelände plötzlich zur Kanonenkugel wird.
Denkt man die Sache aber ein bisschen weiter, wäre das Vakuumieren nicht nur eine Erleichterung für Menschen mit großen Jacken, Mänteln und Hosen. Es könnte den gesamten Flugverkehr auf den Kopf stellen. Warum vakuumiert man nicht gleich die Gäste?
Es passten deutlich mehr Menschen in eine Maschine. Keine Priority oder Nix-Priority-Schlange mehr, kein Drängeln, Rumstehen, Tasche verstauen, Platz suchen – die Gäste ließen sich vor Abflug vakuumieren und sparten sich lange Wartzeiten, schlechte Weizenbrötchen und überteuerten Kaffeepansch. Man würde sie auf Rollwagen zum Gate fahren und praktisch im Innenraum stapeln. Ach, was Innenraum, den braucht man doch auch nicht mehr. Denn niemand würde etwas essen oder trinken wollen, keiner müsste dauernd aufs Klo, sich die Beine vertreten oder stünde in genau dem Moment auf, wenn die Anschnallzeichen aufleuchten. Es gäbe keine lauten Gespräche mehr, kein irres Geschrei, kein Gemecker, und keine aufdringlichen Atemfahnen, die von Knoblauch oder dem Verfall des Zahnfleischs erzählen. Es wehten überhaupt keine Körperdüfte mehr durch den Flieger, es herrschte eine ganz und gar müffelfreie, durchentspannte Atmosphäre, und der Beruf des Flugbegleiters würde endlich zu dem, was er mal war: ein Traumjob.
Doch auch hier gibt es einen Haken, logisch, den gibt es ja immer beim Fliegen. Im Vakuum kann man nicht atmen. Das wäre nochmal eine Idee. Einfach die Luft anhalten, bis es vorbei ist…
(erschienen 2023 in der FAS)